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3. Prozesstag "Kirchdorfer Rehr": Zeugin sah die Autos bereits in der Innenstadt Barsinghausens

Vorne im Bild der Angeklagte M. S. mit seinen Anwälten, dahinter mit einer Akte verdeckt die Angeklagte E. P. mit Dolmetscherin und Anwältin

Barsinghausen. Es klingt nach einer Bestätigung der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Am dritten Prozesstag zum Verkehrsunfall auf dem Kirchdorfer Rehr vor einem Jahr, bei dem zwei kleine Kinder starben, teilte eine 47-jährige Gehrdenerin ihre Erinnerungen mit. Sie sah die Angeklagten mit ihrem Fahrzeugen bereits Minuten vor dem Unfall in der Barsinghäuser Innenstadt. Die Verteidigung hält dagegen, es fehlen ihr aber bislang die nötigen Beweise. Am Prozess nimmt für die Nebenkläger heute nur der Vater der beiden getöteten Kinder teil, gestern war auch die Mutter anwesend.

War es ein Autorennen? Kannten sich die Beteiligten? Das ist die Kernfrage im Prozess gegen E. P. (Audi A6, über 200 PS) und M. S. (Cupra Formentor, 310 PS), die wegen Mordes und Beihilfe zum Mord angeklagt sind. Bereits am zweiten Prozesstag berichteten Augenzeuginnen und ein von beiden Fahrzeugen überholter Fahrer vom Ort des Geschehens, dass sie zwar keine aktivierten Bremslichter bei den Fahrzeugen sahen, dafür beschrieben, dass beide Autos ungewöhnlich lange nebeneinader herfuhren - und, dass die Strecke sehr schlecht einsehbar ist.

Heute trat dann eine 47-jährige Frau aus Gehrden als Zeugin auf. Sie war am Tattag um 16 Uhr beim Reitverein St. Georg auf die Rehrbrinkstraße gefahren. Sie telefonierte mittels Freisprecheinrichtung mit ihrem Mann, wodurch die Uhrzeiten genau zu festzustellen waren. Von der Rehrbrinkstraße bog sie ab in die Poststraße und fuhr dann weiter auf der Siegfried-Lehmann-Straße. Um 16.10 Uhr fielen ihr zwei hintereinander aus der Osterstraße auf die Wittkopp-Kreuzung fahrende Fahrzeuge auf - ein Audi und ein Cupra. "Beide sind schnell an die Kreuzung herangefahren, erst der Audi, dann der Cupra", beschrieb sie dem Gericht die Situation. "Die Fahrerin im Audi habe ich gut gesehen, insbesondere ihre Frisur, da das Fenster offen war." Der Audi sei sofort auf die linke Spur zum Abbiegen auf die Hannoversche Straße gefahren, ein anderes Auto setzte sich dahinter, doch der Cupra zog dann auch schnell als Dritter hinterher und stand so teilweise noch mit dem Heck auf ihrer Spur zur Weiterfahrt. "Zu meinem Mann sagte ich dann: ´Ich lege auf, das wird hier gefährlich´", beschreibt sie die Situation. Beide Fahrzeuge seien ihr aufgefallen, sie erkannte sofort die Hersteller und merkte sich auch weitere Beschaffenheiten der Fahrzeuge. "Die aggressive Fahrweise war mir aber besonders aufgefallen", teilte sie dem Gericht mit. Am nächsten Tag habe sie in den Medien von dem Unfall gehört und sich bei der Polizei gemeldet. Die Uhrzeiten ließen sich durch die Anrufe recht genau rekonstruieren. Der Unfall am Kirchdorfer Rehr war gegen 16.20 Uhr geschehen. E. P. hatte am ersten Prozesstag angegeben, sie sei von der Arbeit gekommen, musste Ãœberstunden leisten und wollte nur schnell nach Hause zu ihren Kindern. Der Angeklagte M. S. erklärte, er sei - anders als sonst üblich - über die Wennigser Mark Richtung Barsinghausen nach Hause gefahren. Sonst fahre er über Redderse und Langreder - warum an diesem Tag nicht, konnte er sich selbst nicht beantworten. Beide Aussagen würden nicht zu den Aussagen der Zeugin passen. Möglicherweise sah die Zeugin auch nur zwei ähnliche Fahrzeuge mit einer ähnlichen A6-Fahrerin in der Innenstadt. Die Verteidiger der beiden Angeklagten führten heute jedenfalls aus, dass E. P. erst um 16.08 Uhr bei ihrer Arbeitsstelle in Wennigsen ausgestempelt habe und somit nicht um 16.10 Uhr in der Osterstraße hätte sein können. Und auch die Verteidigung von M. S. führte aus, dass der Angeklagte noch um 16 Uhr einkaufen war und nur nach Hause wollte, da sei die genannte Fahrtstrecke durch die Innenstadt unsinnig. Weder eine Arbeitszeitauswertung noch ein Kassenbon konnten allerdings auf Nachfrage als entlastende Belege präsentiert werden. 

Ein weiterer Zeuge war ein Verkehrsplaner der Region Hannover, der aus Gehrden kommt. Er war auf dem Weg von Northen nach Wunstorf-Luthe zum Wertstoffhof, dieser schließt um 16 Uhr. Hinsichtlich der Uhrzeiten kam der Mann jedoch ins "schwimmen". Bei der Polizei hatte er einen Monat nach dem Unfall eine Aussage gemacht und erklärt, er sei vormittags auf dem Weg nach Luthe gewesen. Im Gericht sprach er dann vom Nachmittag. In jedem Fall hätten ihn zwischen Kirchwehren und Lathwehren zwei dunkle Fahrzeuge überholt, bei denen er weder die Fahrer noch die Fahrzeuge oder die Nummernschilder erkannt bzw. sich gemerkt habe. Beide Autos seien in Richtung Göxe abgebogen. Theoretisch hätten sie von dort auf die B65 gelangen und nach Barsinghausen bis zur Rehrbrinkstraße kommen können. Allerdings machten die ungenauen Zeitangaben alle Beteiligten skeptisch. "Meine Frau hat das mit den Uhrzeiten besser im Griff als ich", gestand der Zeuge mehrfach in seiner Aussage. Der Richter erklärte dann: "Sollte auf diese Aussage zurückgekommen werden, sollte die Ehefrau noch gehört werden", richtete Dr. Grote seine Anmerkung an die Staatsanwaltschaft.

Weitere Zeugen wurden angehört, darunter auch Ersthelfer an der Unfallstelle. Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt mit weiteren Zeugen und Gutachtern.