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„Doppelmord in Holtensen“ – Angeklagter beteuert seine Unschuld – Ungereimtheiten bei den Ermittlungen

Holtensen/Region. Am Landgericht Hannover hat heute, 10. Januar, der zweite Prozesstermin zum Doppelmord in Holtensen stattgefunden. Der Angeklagte hat von seinen Anwälten eine Stellungnahme verlesen lassen. Eine Polizistin von der Mordkommission Hannover hat einen Eindruck zu den Ermittlungen gegeben, bei denen den Polizisten einige Ungereimtheiten aufgefallen seien. Der Richter wollte jedes Detail hören, da in dem Indizienprozess, bei dem es nur einen Verdächtigen gibt, jede Kleinigkeit zähle.

„Ich bin unschuldig“, verließ die Anwältin eine Einbringung von Ayas A. zu Beginn des zweiten Prozesstages. Er bedauere den Verlust von U. sehr. Er habe alles zur Aufklärung der Tat beigesteuert, was er konnte und sei so überhaupt erst in den Fokus der Ermittlungen geraten und nun der Angeklagte. Er sei auf U. angewiesen gewesen, da dieser der Meister der Werkstatt war und einen großen Kundenstamm besaß. U. habe sich auch weiterhin um die Buchhaltung und Lieferantenaufträge gekümmert. Dies würde ihm nun über den Kopf wachsen. Den Kaufpreis der Werkstatt von 310.000 Euro habe er in Raten bereits abgezahlt. Er sei mehrfach im Haus von U. gewesen, habe dort bei dem Bau der Sauna und anderer Möbel geholfen, habe so jeden Raum des Hauses betreten. Im Keller hätte U. ihm auch die Buchführung nähergebracht. Einen Safe habe er nie gesehen. Er habe kein Motiv, um U. und seiner Frau etwas anzutun. Die Werkstatt und der Handel wären gut gelaufen. Die vielen privaten Darlehen, die er zuletzt aufgenommen habe, seien für Autokäufe gedacht gewesen. Den gewinnbringenden Weiterverkauf hätte er schon geplant und die Darlehen daher auch schnell zurückzahlen können. Am Tag vor dem Treffen mit dem dänischen Autohändler sei er dann verhaftet worden.

Weitere Fragen sollten von ihm an diesem Tage nicht beantwortet werden, so die Verteidigerin abschließend.

„Da gab es keine erhellenden Neuigkeiten“, sagte der Richter zu der Einbringung. Er rief anschließend eine Polizistin in den Zeugenstand, die bei den Ermittlungen dabei war, A. verhört hatte und auch die Finanzenermittlungen begleitet hat. „In diesem Indizienprozess ist uns jedes Detail sehr wichtig“, so der Richter.

Zunächst sei Ayas A. noch als Zeuge behandelt worden, nachdem dieser die Polizei auf das Verschwinden von U. aufmerksam machte. Ein Treffen an einem Sonntag im Juni 2022 habe nicht stattgefunden und U. sei am Montag nicht bei der Arbeit gewesen. Aus Sorge habe A. daher die Polizei verständigt. Schon damals gab A. an, öfter im Haus gewesen zu sein. Es sollten bei dem Treffen auch noch 15.000 Euro übergeben werden, die U. für das Finanzamt brauchte und auch die Buchführung sollte durchgegangen werden, erinnert sich die Polizistin an die Aussage von A.

Bei einer zweiten Vernehmung erzählte A., dass es vor der Tat ein Treffen in einer Gaststätte in Ronnenberg gegeben habe. U. sei hier auch öfter gewesen, er kannte den Kellner und auch Mitarbeiter der Werkstatt waren dabei. Auch sollen die Mitarbeiter der Werkstatt gewusst haben, dass U. sein Geld im Keller aufbewahre und nicht zur Bank brachte.

Dann folgte der Überfall auf A. in der Werkstatt. Zuvor habe es eine SMS gegeben, in der Unbekannte erklärten, dass die Werkstatt ihnen gehöre und A. sie zum Verkauf stellen soll, damit die Unbekannten sie zurück kaufen könnten. Bei dem Überfall sollen A. 32.000 Euro gestohlen worden sein, die für den Autokauf mit dem dänischen Händler gedacht waren.

„Es bildeten sich dann immer mehr Ungereimtheiten heraus“, so die Polizistin, „Wir standen bis zu diesem Zeitpunkt einer fast nicht enden wollenden Informationsflut entgegen.“ Die Darstellungen seien nicht mehr „lebensnah“ gewesen, so die Polizistin. Warum wollte A. den Alarm in der Werkstatt einschalten, ließ die Tasche mit dem Geld aber in der anderen Seite der Halle liegen, obwohl er zum Treffen mit dem Autohändler wollte? Auch die SMS sei mit ihrem angeblichen Wortlaut eher unsinnig.

A. habe erst spät nachgefragt, ob das Geld noch in der Werkstatt sei und habe dann auch eher emotionslos hingenommen, dass es verschwunden sei, erinnert sich die Polizistin. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass A. den Überfall erfunden hat, um den Verdacht von sich abzulenken. Auch die Verletzungen soll er sich der Staatsanwaltschaft selbst zugezogen haben. Auch wie der Überfall stattgefunden haben soll, wirkte auf die Polizei nicht „lebensnah“ und überzeugend.

Bei den Finanzermittlungen und weiteren Befragungen der Darlehensgeber, habe sich auch dort ein undeutliches Bild abgezeichnet. Viele der Geldgeber zeigten sich unsicher gegenüber den Plänen von A. und wollten ihr Geld zurück. „Die Gesamtstruktur kam dem Umfeld von A. unglaubwürdig vor“, so die Polizistin. Auch die Buchhaltung sei undurchsichtig gewesen. Die Ratenzahlungen für die Werkstatt sollten in sechs bis acht Raten in Beträgen zwischen 40.000 und 80.000 Euro erfolgen - in bar. Eine Handnotiz von der Ehefrau von U. in den Unterlagen besagte, dass nun noch 95.000 Euro fehlen würden. Nach dem Durchsehen der vielen Belege kam laut der Polizei heraus, dass die Anzahlung in Höhe von 30.000 Euro erfolgte und auch schon Ratenzahlungen eingegangen waren, und der offene Betrag stimmen würde. Den Richter wunderte, dass der Kaufbetrag laut A. eigentlich gezahlt worden sei und trotzdem noch 15.000 Euro übergeben werden sollten.

A. habe gegenüber der Polizei auch erklärt, dass der Tod von U. für ihn sehr unglücklich sei. U. habe sich um Lieferanten und Rechnungen gekümmert und das Firmenkonto sei immer mit 40.000 bis 50.000 Euro gedeckt gewesen. Zuletzt habe er immer selbst Geld reinstecken müssen.

Laut Staatsanwaltschaft sollen diese Geldsorgen A. zu der Tat gebracht haben. A. ist der einzige Verdächtige. Es gibt keine Zeugen. Der Prozess wird noch an sechs weiteren Tagen, bis in den März hinein, weiterverhandelt.