Anzeige
Anzeige

Nabu empfiehlt: Igel nicht vorschnell einsammeln

Symbolfoto. Quelle: pixabay.

Region. Jährlich nimmt sich das NABU-Artenschutzzentrum in Leiferde rund 300 bis 400 verletzten oder anderweitig geschwächten Igeln an und macht die kleinen stacheligen Säugetiere fit für die Auswilderung. Aktuell kommen beinahe täglich hilfsbereite Tierfreunde, die tagsüber einen Igel sichten, auf das Artenschutzzentrum zu. Ihre Sorge: „Der ist so klein und hilflos. Der schafft das doch gar nicht über den Winter.“ Doch nicht jeder Igel, der am helllichten Tag durch die Gegend wetzt, ist auf Hilfe angewiesen..

Erst kürzlich habe jemand einen Igel in Leiferde abgegeben, erinnert sich die Geschäftsführerin des NABU-Artenschutzzentrums Bärbel Rogoschik: „Der Igel brachte jedoch bereits 800 Gramm auf die Küchenwaage.“ Es habe sich also um ein ausgewachsenes Tier gehandelt, bereit für den Winterschlaf, das weder Verletzungen aufwies noch von Fliegeneiern befallen oder von Maden durchfressen war. „Wir haben den Igel dem Mann wieder mitgegeben, sodass er wieder an seinem Fundort freigelassen werden konnte.“

Junger Igel tagsüber im Garten – ein Warnsignal?

Aber was, wenn es sich bei dem gefundenen Igel noch um ein Jungtier handelt, welches tagsüber durch den Garten streunt? Rogoschik: „Ich verstehe, dass zunächst Bedenken aufkommen:  â€šIst das alles normal?‘ – Aber ja, gerade jetzt ist das nicht ungewöhnlich. Schließlich wurden junge Igel noch bis Ende September geboren.“ Der Nachwuchs von Igeln könne bei milden Temperaturen sogar noch im Dezember draußen unterwegs sein und fresse sich Winterspeck für den Winterschlaf an. Auch einen Igel tagsüber zu finden, sei nicht unbedingt ein Warnsignal: „Das kann normal sein, wenn er zum Beispiel durch die eigene Gartenarbeit oder die der Nachbarschaft aus seinem Versteck aufgescheucht wurde“, so Rogoschik. Oft trauen sich Igel dann nicht direkt zurück in ihr Versteck und treten den Weg erst wieder am Abend an.

Wann sind Igel wirklich in Not?

Doch ab wann benötigen Igel überhaupt Hilfe und wie sollte diese aussehen? Zunächst müsse betont werden, dass der Igel zu den geschützten Tierarten gehört: „Er darf laut Bundesnaturschutzgesetz weder gefangen noch getötet werden. Nur in absoluten Notfällen, wenn ein Igel verletzt oder krank ist, dürfen Menschen ihn für eine kurze Zeit in ihre Obhut nehmen, gesund pflegen und alsbald wieder in die Freiheit entlassen.“ Deswegen sei es auch so wichtig, den Igel zunächst genau zu beobachten, erklärt die Naturschützerin: „Wo kommt das Tier her, wie bewegt es sich, bewegt er sich normal fort oder läuft er permanent nur im Kreis und fällt um? Hat er eine Verletzung? Blutet er? Hat er ganz viele weiße Pünktchen zwischen den Stacheln? Das sind dann Fliegeneier oder sogar Maden. Fühlt er sich kalt an?“ Trifft eines der Kriterien zu, ist der Igel wirklich auf Hilfe angewiesen und ein Tierarzt, eine gute Igelauffangstation oder das NABU-Artenschutzzentrum Leiferde sollten konsultiert werden.

Das leidige Thema Zecken und die Gefahr von Spot-On-Präparaten

Hat ein Igel fünf bis sechs Zecken, ist auch das nicht besorgniserregend. Erst, wenn sich bei einem kleinen Igel zahlreiche Zecken in der Kopfregion angesammelt haben, besteht Gefahr. Denn das kann zu einer Blutarmut führen. Die Zecken müssen dann entfernt werden. Vorsichtig ist jedoch bei Spot-On-Präparaten geboten: „Manche dieser Präparate werden von Igeln nicht gut vertragen und können sogar zum Tod führen. Weshalb Igel nach der Gabe eines solchen Medikamentes die nächsten sechs Wochen nicht in den Winterschlaf gehen sollten. Dann würde nämlich ihr Stoffwechsel herunterfahren, das Präparat könnte nicht abgebaut werden und der Igel würde unter Umständen an einer Vergiftung im Winterschlaf sterben“, warnt Rogoschik. „Deswegen fragen wir auch immer bei der Abgabe eines Igels nach, ob er zuvor beim Tierarzt war und welche Medikamente er bekommen hat. Wurde tatsächlich ein Spot-On-Präparat verabreicht, halten wir die Igel auf Trab und sorgen jeden Tag dafür, dass sie nicht in den Winterschlaf fallen, ehe das Mittel nicht komplett vom Körper abgebaut wurde.“

Dehydrierter Igel? Das sind die Anzeichen!

„Es lässt sich im Handumdrehen prüfen, ob ein Igel dehydriert ist, also, ob er Wasser oder je nach Alter Muttermilch benötigt: Dazu zieht man die Stacheln einfach ein bisschen hoch. Wenn diese dann so stehen bleiben, dass eine Beule entsteht, der sich nur ganz langsam wieder zurückbildet, braucht der Igel auf alle Fälle Hilfe“, so die Leitung des Artenschutzzentrums. Heißt also: Dem Igel Wasser anbieten. Nimmt er dieses nicht an oder kann er noch nicht selbstständig trinken – gerade Jungtiere knabbern meist noch unbeholfen am Schüsselrand rum – sollte das Tier eingesammelt und zum Tierarzt oder in eine Auffangstation gebracht werden. Dort erhält der Igel eine Infusion, bevor er, wenn er keine Verletzungen oder anderweitigen Befindlichkeiten aufweist, wieder ausgesetzt wird. Wenn bekannt ist, wo sich das Muttertier aufhält, sollte ein Jungtier wieder in ihrer unmittelbaren Nähe ausgewildert werden. „Kehren die Stacheln bei dem Test gleich wieder in ihre Ausgangsposition zurück, ist alles gut und man sollte das Ganze aus der Ferne beobachten“, beruhigt Rogoschik.

Sind keine Krankheiten oder sonstigen Beschwerden ersichtlich, ist es immer die bessere Wahl, den Igel in der Natur zu lassen und einen Jungigel somit nicht seiner Mutter zu entreißen. Insbesondere bei weiblichen Tieren ist es wichtig, diese nicht einfach der Natur zu entnehmen: Meist kümmern sie sich noch um ihre Jungtiere, die dann nicht mehr versorgt werden können. Die Gefahr ist groß, dass die Igelmutter ihre Jungen nicht mehr versorgt, wenn sie nach der Einsammelaktion wieder ausgewildert wird.

Einmal den Garten aus der Sicht eines Igels betrachten

Viel besser kann Igeln geholfen werden, wenn diesen hochwertiges Katzen- oder Hundefutter mit einem Fleischanteil von mindestens 70 Prozent angeboten wird: „Der hohe Fleischanteil ist wichtig, da Igel pflanzliche Inhaltsstoffe wie Erdnüsse oder Getreide aufgrund ihres kurzen Darms nicht verstoffwechseln können“, erläutert die Artenschützerin. „Noch besser, aber natürlich kostenintensiver, wären Heimchen, Heuschrecken und Co., da Igel Insektenfresser sind. Sie fressen aber auch gerne gekochte Eier oder Rinderhack.“ Wer Angst davor hat, mit dem Futter andere Tiere anzulocken, könne dem Igel, sobald er im Garten oder auf der Terrasse auftaucht, das Mahl direkt vor die Nase stellen, das Fressen abwarten und dann die Schüssel direkt wieder mit hineinnehmen. Bei dem Thema Igel ist ihr eines ganz besonders wichtig: Den Garten aus der Sicht des Igels zu betrachten. „Habe ich eine Kellertreppe, wo er runterfallen könnte? Habe ich Schächte, wo er reinfallen könnte? Habe ich irgendetwas an Unrat im Garten liegen, wo er sich drin verheddern und nicht wieder rauskommen könnte, beispielsweise Obstbaumnetze? Wie sieht mein Gartenzaun aus? Beginnt er erst etwa eine Faust breit über dem Boden, sodass der Igel noch durchschlüpfen kann? Habe ich Versteckmöglichkeiten wie Laubhaufen liegen gelassen?“ All das sind Maßnahmen, mit denen jeder etwas für den Igelschutz tun kann.

Igel gefunden? Das NABU-Artenschutzzentrum weiß Rat

Wer sich trotz Zufütterung noch unsicher ist, ob das Tier rechtzeitig bis zum Winter ausreichend Fettreserven ansetzt, kann zwei bis drei Stacheln vorsichtig mit etwas Nagellack markieren und das Tier probeweise immer mal wieder wiegen, wenn es erneut im Garten auftaucht. Nimmt der Igel zu, ist alles gut. Im Zweifel können Igelfreundinnen und -freunde aber immer mit Fragen, Beschreibungen und Bildern der Igel montags bis freitags von 8:30 bis 12:00 Uhr unter der Telefonnummer 05373 6677 mit dem Artenschutzzentrum in Leiferde Kontakt aufnehmen. Außerhalb dieser Zeiten ist das Team des Artenschutzzentrums in Notfällen unter der kostenpflichtigen Telefonnummer 0900 11667711 zu erreichen. Rogoschik hat eine Bitte: „Tiere bitte nie einfach so in einer Box vor unseren Türen abstellen, sondern immer Bescheid geben. Andernfalls könnten die Lebewesen zu spät bemerkt und so nicht mehr vor dem Tod bewahrt werden. Dies ist leider schon vorgekommen.“

Das NABU-Artenschutzzentrum hat zur Sommerzeit täglich von 9 bis 18 Uhr für Besuchende geöffnet, zur Winterzeit von 9 bis 17 Uhr. Notfälle können zu jeder Tages- und Nachtzeit abgegeben werden. NABU-Mitglieder oder Förderkreismitglieder des Zentrums erhalten freien Eintritt. Alle anderen zahlen eine kleine Gebühr, die das Artenschutzzentrum für die Pflege der Tiere verwendet.