Hannover/Springe. Alexander K. (30) und Maike W. (34) wurde von der Staatsanwaltschaft Hannover u.a. versuchter Mord vorgeworfen, da sie im Sommer 2023 der leiblichen und damals erst einjährigen Tochter von K. in Springe gemeinschaftlich Quecksilber injiziert haben sollen. Die Staatsanwaltschaft forderte für Alexander K. eine zwölfjährige Freiheitsstrafe. Für Maike W. 11 Jahre. Beim heutigen Urteil ging das Gericht darüber hinaus..
„Es gab wenig, was wir den Angeklagten strafmindernd anrechnen konnten“, erklärte Richter Grote bei der Urteilsverkündung im Landgericht Hannover. Zwar seien beide nicht vorbestraft gewesen und hätten – zumindest – ein Teilgeständnis abgegeben, aber auch erst dann, als es nichts mehr zu leugnen gab. In den Einlassungen beschuldigten sich dann beide noch gegenseitig. „Das ändert jedoch nichts daran, dass beide Täter sind. Mit eigenen Motiven.“
Alexander K. sei es nur um Rache an seiner Ex-Frau gegangen und dafür hätte er seine eigene einjährige Tochter instrumentalisiert und das Kindeswohl seiner Rache untergeordnet. Maike W. habe K. als Pfleger für ihre beeinträchtigte Tochter stärker an sich binden wollen und habe daher ihr eigenes Motiv gehabt, die „störende“ Ex-Frau loszuwerden.
Für das Gericht sei nachweislich erwiesen, dass beide die Tat planten und aktiv vorbereiteten. K. habe die Entscheidungen bei der Besorgung des Quecksilbers aus einem Thermometer getroffen. W. habe im Internet nach einem Thermometer gesucht und K. auch aktiv an die Tat erinnert. „Du solltest es jetzt tun, wenn du aus der Schusslinie willst“, schrieb W. an K. Dieser beschwerte sich noch darüber, was er noch alles tun solle. K antwortete im Chatverlauf zur Tatplanung: „Ich meine es ja nur gut.“
Beide hätten eine medizinische Grundausbildung, erklärte Richter Grote weiter. Eine Folge von „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zu einem Mord durch Quecksilber schauten beide. „Daher müssen wir davon ausgehen, dass beide einen tödlichen Ausgang in Kauf genommen haben. Auch wenn letztendlich das ausgesuchte Quecksilber keine tödliche Wirkung erzeugen konnte. Jedoch war ihr Wissen darüber nicht vorhanden“, so der Richter weiter.
Es sei bewusst ein Termin für die Tat ausgesucht worden, der kurz vor der Mutter-Kind-Kur der Ex-Frau lag. Die Angeklagten hätten um die verzögerte Wirkung des Quecksilbers gewusst und den Leidensweg gekannt. Trotz auftretender Symptome hätten sie die Ärzte nicht informiert, nachdem das Kind im Krankenhaus landete und mehrfach untersucht und auch operiert werden musste. „K. verzögerte durch sein Handeln sogar noch die Untersuchungen.“ W. habe noch vor Bekanntwerden der Ursache durch Ärzte entsprechende Suchen im Internet getätigt, u.a. „Quecksilber im MRT sichtbar?“ Nachdem das kleine Kind nach Hannover verlegt wurde, schrieb W. an K.: „Heimspiel. Wir kennen dort die Ärzte. Was willst du mehr?“
Auch die Tatsache, dass dem Kind zwei Spritzen gesetzt wurden, spreche gegen die Angeklagten. Da die Injektion mehrere Zentimeter in den Fuß sehr schmerzhaft gewesen sein muss, spritzten die Angeklagten den Rest des Quecksilbers in den hinteren Oberschenkel. „Dies tut man nur, wenn man sichergehen will, dass die größte Wirkung eintritt. Das Merkmal der Grausamkeit haben damit beide erfüllt.“
Die Quecksilbervergiftung der Tochter war massiv, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Das Kind musste jedoch zehn Operationen überstehen, mehrere Magenspiegelungen über sich ergehen lassen, lag zwei Monate im Krankenhaus, erhält weiterhin Medikamente und Untersuchungen und ist aufgrund von Ablagerungen in der Hornhaut sehr lichtempfindlich. Die Operationsnarben werden wohl nie ganz verschwinden. „Das Geständnis des Angeklagten wird der Tochter vielleicht die Ungewissheit nehmen, wenn in Zukunft Fragen zu den Narben auftauchen. Allerdings wird das Kind immer damit leben müssen, dass ihr eigener Vater ihr Quecksilber gespritzt hat“, so der Richter.
Der Richter ging daher über das geforderte Strafmaß hinaus und verurteilte Alexander K. zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und Maike W. zu 12 Jahren. Eine Strafe zwischen 3 bis 15 Jahren sei möglich gewesen. Die Verteidiger haben nun eine Woche Zeit, um in Berufung zu gehen. Beide Parteien wollen jedoch zunächst mit ihren Mandanten klären, ob sie diesen Weg gehen wollen.